Die alte Festungsanlage Theresienstadt (heute: Terezin/Tschechische Republik)
in Nordböhmen diente ab November 1941 als ghettoähnliches Lager für insgesamt
rund 141.000 Juden. Mit insgesamt rund 73.500 Menschen wurde bis Juli 1943 fast
die gesamte jüdische Bevölkerung des »Protektorats« nach Theresienstadt
deportiert. (…) Die Lebensbedingungen in Theresienstadt waren kaum zu ertragen.
Kälte, Mangel an Nahrungsmitteln, Enge und minimale Ausstattung der Unterkünfte
sowie fehlende Medikamente für grassierende Krankheiten forderten hohe
Todeszahlen. Etwa 33.500 Menschen starben in diesem Lager, das unter dem
Kommando der Schutzstaffel (SS) stand und von tschechischer Gendarmerie bewacht
wurde. Dennoch galt Theresienstadt als nationalsozialistisches
»Vorzeigeghetto«.Eine große Zahl von Künstlern und Schriftstellern gab im Ghetto
Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen. Eine im Ghetto eingerichtete
Bibliothek umfasste über 60.000 Bände. Das NS-Regime nutzte die kulturellen
Aktivitäten in Theresienstadt für Propagandazwecke und gestattete einer
Delegation des internationalen Organisationen, Theresienstadt zu besuchen. Für
den Besuch der Delegation am 23. Juni 1944 wurde durch neu eingerichtete Cafés,
zahlreiche Geschäfte und durch eine mit Ghettogeld arbeitende Bank die Illusion
einer »normalen Stadt« vermittelt. Um den Eindruck der Überbevölkerung zu
vermeiden, wurden im Vorfeld des Besuchs besonders viele Häftlinge
deportiert.
Seit Januar 1942 stellte Theresienstadt für insgesamt rund 60.400 tschechische
und 16.100 deutsche Juden eine Durchgangsstation für Transporte in die
Vernichtungslager im Osten dar. Ab Oktober 1942 führten die Deportationen
ausschließlich nach Auschwitz. Dem sogenannten Ältestenrat im Lager fiel die
Aufgabe zu, die Listen mit Namen derjenigen zusammenzustellen, die deportiert
werden sollten. Der Rat war für die interne Verwaltung in Theresienstadt
einberufen worden und musste die Weisungen der »Zentralstelle für jüdische
Auswanderung«, einer Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und
des Sicherheitsdiensts in Prag, ausführen. Den Vorsitz im Ältestenrat hatte
zunächst der tschechische Zionist Jakob Edelstein (1903-1944), später der
deutsche Soziologe Paul Eppstein (1901-1944) und schließlich der Rabbiner
Benjamin Murmelstein (1905-1989).
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs gelang es dem Internationalen Roten Kreuz
nach langen Verhandlungen mit der SS, Juden aus Theresienstadt in neutrale
Länder zu bringen. 1.200 Juden konnten am 5. Februar 1945 in die Schweiz
ausreisen. Am 15. April wurden die bis dahin überlebenden dänischen Juden nach
Schweden entlassen. Für knapp zwei Wochen übergab die SS die Verantwortung für
Theresienstadt dem Roten Kreuz, am 9. Mai 1945 übernahm es die Rote Armee. Die
hohe Sterblichkeit in Theresienstadt hielt aber auch nach der Befreiung des
Lagers an. Viele Menschen waren zu schwach und gesundheitlich nicht in der Lage,
den Ort zu verlassen. Die letzten mussten bis zum 17. August 1945 in
Theresienstadt bleiben.