»Während des Krieges haben wir im Grunde Sabotage gemacht«

»Allgemein kann ich zum Widerstand sagen: ich habe große Angst gehabt, Angst ist eine natürliche Sache, und Mut ist wirklich Überwindung der Angst. Wer Widerstand leistet, muss sich genau mit dem Verstand überlegen, was im Augenblick wichtig ist, darf nicht tollwütig in irgendwas sich hineinstürzen, aber muss seine Angst überwinden. Es gibt auch den alltäglichen Mut.«

­Irmgard Heydorn: Der tägliche Mut. Frankfurt, S. 21

  • Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK)

    Der Internationale Sozialistische Kampfbund wurde 1925 von dem Göttinger Philosophen Leonard Nelson als Partei gegründet, nachdem die Mitglieder der Vorgängerorganisation des ISK, dem Internationalen Sozialistischen Jugendbund, aus der SPD und der KPD ausgeschlossen worden waren. Der ISK verstand sich als Kaderorganisation, die die Führungspersönlichkeiten für eine neue sozialistische Gesellschaft ausbilden sollte. Dementsprechend war der ISK nicht darauf aus, möglichst groß zu werden, sondern stellte im Gegensatz hohe Anforderungen an eine Mitgliedschaft. Dazu gehörten der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, strenger Vegetarismus und der Austritt aus der Kirche. Zudem wurde eine hohe Disziplin in der politischen Arbeit erwartet.

    Leonard Nelson und der ISK sahen bereits früh, welche Gefahren von den Nazis ausgehen. Aus diesem Grund veröffentlichten sie 1932 einen »Dringenden Appell«, in dem sie alle linken Parteien aufriefen, gemeinsam eine einheitliche Front gegen die Nazis zu bilden. Dieser Aufruf, der von bekannten Persönlichkeiten wie Albert Einstein und Erich Kästner unterschrieben wurde, fand bei den anderen Parteien jedoch nicht den erhofften Anklang.

    Der ISK löste sich dementsprechend bereits in den Jahren 1932-33 auf und bereitete sich auf die Arbeit in der Illegalität vor. Alle Mitgliedschaftslisten und Parteibücher wurden vernichtet, um sich so dem unmittelbaren Zugriff der Nazis zu entziehen. Es wurden eine Auslandszentrale in Paris und verschiedene lokale Widerstandszellen gegründet. 1934 wurden in einem Flugblatt mit dem Titel »Willst du gesund bleiben« Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen für die illegale Arbeit verbreitet, die vor Verfolgung schützen sollten. In den Jahren 1933-1945 bildete der ISK eine kleine, aber effektiv arbeitende Widerstandsgruppe und umfasste ca. 300 Mitglieder. Die Mitglieder erstellten und verbreiteten Propagandamaterial gegen die Nazis, halfen gefährdeten Personen bei der Flucht oder beim Untertauchen und gaben verschlüsselte Informationen ins Ausland weiter. Finanziert wurde diese Widerstandsarbeit unter anderem über vegetarische Restaurants, die von ISKlern betrieben wurden. Der ISK zeichnete sich in seiner illegalen Arbeit dadurch aus, dass er nach strengen Vorsichtsmaßnahmen arbeitete. Trotzdem mussten viele ISK-Mitglieder ins Exil fliehen, oder wurden von den Nazis verhaftet, gefoltert und ermordet.

    »Der ISK war keine Massenorganisation und konnte auch keine werden. Er stellte sehr hohe Anforderungen an seine Mitglieder, da er sich als strikte Kampforganisation verstand. Beispielweise war das Rauchen verboten, da Nikotinabhängigkeit während einer politischen Gefangenschaft eine vom Gegner ausnutzbare Blöße darstellte. Die Organisation war streng konspirativ, man kannte nur die Namen derjenigen, mit denen man direkt zusammenarbeitete. Wir hatten Verbindungen zu den Leuten des 20. Juli 1944, zu Sozialdemokraten, Kommunisten und vielen illegalen Gruppen. Die Verbindung lief aber immer nur über einzelne. Wir dachten auch an ernsthaften bewaffneten Widerstand.«

    Irmgard Heydorn: Der tägliche Mut. Frankfurt, S. 17

    Quellen:

    • Seitens der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden sämtliche verfügbaren Publikationen des ISK online zugänglich gemacht
    • Die Friedrich-Ebert-Stiftung bietet zudem ausführliche Informationen über den ISK
    • Den Widerstand des ISK beschreibt ein Band, in dem auch Irmgard Heydorn einen Beitrag veröffentlicht hat: Sabine Lemke-Müller (Hg.): Ethik des Widerstands. Der Kampf des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus. Erschienen im Dietz-Verlag.
  • »Wunderwaffe«

    Ab 1942 wurde in der nationalsozialistischen Propaganda die Existenz von »Wunderwaffen« verbreitet, um in der deutschen Bevölkerung die Hoffnung zu wecken, dass Deutschland den Krieg noch gewinnen würde. Denn zu dieser Zeit bildete sich eine deutsche Niederlage immer deutlicher ab. Die bekanntesten dieser vermeintlichen »Wunderwaffen« sind die V1- und V2-Raketen, mit welchen die Nazis Großbritannien und später auch die Niederlande, Belgien und Frankreich angriffen. Von diesen Raketen spricht auch Irmgard Heydorn. Der Einsatz der V1-Rakete hatte trotz anfänglicher Euphorie in der deutschen Bevölkerung nicht die gewünschte Wirkung auf den Kriegsverlauf. Aus diesem Grund wurde die V2-Rakete gebaut. Da die V2 aufgrund hoher Geschwindigkeit nicht auf den Radarbildschirmen zu orten war, schlug sie ohne Vorwarnung ein und tötete viele ZivilistInnen, hauptsächlich in London und Antwerpen. Auch der Bau der V2 kostete viele Menschen das Leben: 12.000 ZwangsarbeiterInnen starben aufgrund der Arbeitsbedingungen und durch Erschiessungen in den Fabriken, in welchen die V2 gebaut wurde.

    Im August 1943 wurde die Raketenproduktion von Peenemünde in einen Bergwerksstollen im Harz verlegt, da den Alliierten ein schwerer Luftangriff auf die Fabrik in Peenemünde gelungen war.

    Quelle:

    LeMO: Die »Wunderwaffen«

Kapitel 3: Widerstand

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  2. WAuftakt
    Auftakt
  3. W1
    Ich war gegen die Nazis
  4. W2
    Vorsichtige Arbeit
  5. W3
    Widerstand gegen Hitler
  6. W4
    Wissen um die Verbrechen
  7. W5
    Deporta­tionen
  8. W6
    Hoffnung auf Umsturz
  9. W7
    Sabotage
  10. W8
    Schöne Momente?
  11. W9
    Widerstand der Eltern
  12. W10
    Wissen um den Widerstand
  13. W11
    Ent­scheidung
  14. W12
    Eine normale Jugend?
  15. Nächstes Kapitel