»Hitler bedeutet Krieg! Wehrt euch!«

»Junge Leute sagen mir, ich erzählte von unseren Aktionen wie Waffen vergraben, Flugblätter verteilen, immer nur in Nebensätzen, als ob das die alltäglichste Sache der Welt sei. Wenn ich mir anhöre, was Trude Simonsohn aus den KZs zu berichten hat, dann ist das, was wir getan haben, wirklich so wenig, dass ich es tatsächlich nur in Nebensätzen erwähnen kann. Wir wollten damit versuchen, Aufklärungsarbeit zu machen, d.h., wir hatten die absurde Idee, dass wir mit unseren Flugblättern die Menschen darauf hinweisen könnten, wie gefährlich diese Herrschaft ist, was sie alles macht, wie sie die Menschen unterdrückt und wie jeder einzelne von uns unterdrückt wurde. Wir wollten versuchen, dagegen etwas zu tun, und haben es halt gemacht. Ich würde sagen, dass diese Aufklärungsarbeit trotz ihrer Erfolglosigkeit nötig war.«

Irmgard Heydorn: Der tägliche Mut. Frankfurt, S. 20

»In den im Laufe des Jahres 1940 von den Deutschen besetzten Ländern Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien und schließlich auch Frankreich, entstanden nationale Widerstandsgruppen. Sie kämpften gegen die Nazis, doch ihr Kampf galt ebenso der Befreiung des eigenen Landes von den Besetzern, d.h. sie behielten ihre nationale Identität und Glaubwürdigkeit in ihrer Bevölkerung, während wir uns gegen das herkömmliche Nationalgefühl stellten. Zwar waren wir der Überzeugung, dass die Menschen des Widerstandes das bessere Deutschland vertraten, doch wer würde bei dieser Euphorie uns noch Glauben schenken. Unsere Hoffnung war die Niederlage Deutschlands und unser Versuch, dafür etwas zu tun. Ich erinnere mich noch genau meiner Gefühle im Luftschutzkeller des Etagenhauses, in dem wir wohnten. Ich freute mich, wenn die Bomben fielen und hatte gleichzeitig Angst, getroffen zu werden. Ich wollte leben. Kriegspläne wollten wir durchkreuzen.«

Irmgard Heydorn zitiert in: Sabine Lemke-Müller: Ethik des Widerstands. Dietz-Verlag, Bonn 1996, S. 282

  • Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK)

    Der Internationale Sozialistische Kampfbund wurde 1925 von dem Göttinger Philosophen Leonard Nelson als Partei gegründet, nachdem die Mitglieder der Vorgängerorganisation des ISK, dem Internationalen Sozialistischen Jugendbund, aus der SPD und der KPD ausgeschlossen worden waren. Der ISK verstand sich als Kaderorganisation, die die Führungspersönlichkeiten für eine neue sozialistische Gesellschaft ausbilden sollte. Dementsprechend war der ISK nicht darauf aus, möglichst groß zu werden, sondern stellte im Gegensatz hohe Anforderungen an eine Mitgliedschaft. Dazu gehörten der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, strenger Vegetarismus und der Austritt aus der Kirche. Zudem wurde eine hohe Disziplin in der politischen Arbeit erwartet.

    Leonard Nelson und der ISK sahen bereits früh, welche Gefahren von den Nazis ausgehen. Aus diesem Grund veröffentlichten sie 1932 einen »Dringenden Appell«, in dem sie alle linken Parteien aufriefen, gemeinsam eine einheitliche Front gegen die Nazis zu bilden. Dieser Aufruf, der von bekannten Persönlichkeiten wie Albert Einstein und Erich Kästner unterschrieben wurde, fand bei den anderen Parteien jedoch nicht den erhofften Anklang.

    Der ISK löste sich dementsprechend bereits in den Jahren 1932-33 auf und bereitete sich auf die Arbeit in der Illegalität vor. Alle Mitgliedschaftslisten und Parteibücher wurden vernichtet, um sich so dem unmittelbaren Zugriff der Nazis zu entziehen. Es wurden eine Auslandszentrale in Paris und verschiedene lokale Widerstandszellen gegründet. 1934 wurden in einem Flugblatt mit dem Titel »Willst du gesund bleiben« Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen für die illegale Arbeit verbreitet, die vor Verfolgung schützen sollten. In den Jahren 1933-1945 bildete der ISK eine kleine, aber effektiv arbeitende Widerstandsgruppe und umfasste ca. 300 Mitglieder. Die Mitglieder erstellten und verbreiteten Propagandamaterial gegen die Nazis, halfen gefährdeten Personen bei der Flucht oder beim Untertauchen und gaben verschlüsselte Informationen ins Ausland weiter. Finanziert wurde diese Widerstandsarbeit unter anderem über vegetarische Restaurants, die von ISKlern betrieben wurden. Der ISK zeichnete sich in seiner illegalen Arbeit dadurch aus, dass er nach strengen Vorsichtsmaßnahmen arbeitete. Trotzdem mussten viele ISK-Mitglieder ins Exil fliehen, oder wurden von den Nazis verhaftet, gefoltert und ermordet.

    »Der ISK war keine Massenorganisation und konnte auch keine werden. Er stellte sehr hohe Anforderungen an seine Mitglieder, da er sich als strikte Kampforganisation verstand. Beispielweise war das Rauchen verboten, da Nikotinabhängigkeit während einer politischen Gefangenschaft eine vom Gegner ausnutzbare Blöße darstellte. Die Organisation war streng konspirativ, man kannte nur die Namen derjenigen, mit denen man direkt zusammenarbeitete. Wir hatten Verbindungen zu den Leuten des 20. Juli 1944, zu Sozialdemokraten, Kommunisten und vielen illegalen Gruppen. Die Verbindung lief aber immer nur über einzelne. Wir dachten auch an ernsthaften bewaffneten Widerstand.«

    Irmgard Heydorn: Der tägliche Mut. Frankfurt, S. 17

    Quellen:

    • Seitens der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden sämtliche verfügbaren Publikationen des ISK online zugänglich gemacht
    • Die Friedrich-Ebert-Stiftung bietet zudem ausführliche Informationen über den ISK
    • Den Widerstand des ISK beschreibt ein Band, in dem auch Irmgard Heydorn einen Beitrag veröffentlicht hat: Sabine Lemke-Müller (Hg.): Ethik des Widerstands. Der Kampf des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus. Erschienen im Dietz-Verlag.

Kapitel 3: Widerstand

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    Auftakt
  3. W1
    Ich war gegen die Nazis
  4. W2
    Vorsichtige Arbeit
  5. W3
    Widerstand gegen Hitler
  6. W4
    Wissen um die Verbrechen
  7. W5
    Deporta­tionen
  8. W6
    Hoffnung auf Umsturz
  9. W7
    Sabotage
  10. W8
    Schöne Momente?
  11. W9
    Widerstand der Eltern
  12. W10
    Wissen um den Widerstand
  13. W11
    Ent­scheidung
  14. W12
    Eine normale Jugend?
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